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Ganze Landstriche durch Windkraft "unbewohnbar"

In Mecklenburg stehen die Windräder so dicht wie kaum woanders in Deutschland. Nun will ein Investor sogar für Windkraft gesperrte Gebiete zubauen. Er will sich die Genehmigung erkaufen.

Windkraftanlagen drehen sich in der Nähe von Altentreptow (Mecklenburg-Vorpommern) Foto: privat

Winpark bei Altentreptow


 

Die Gegend um das idyllisch im Tal der Tollense gelegene Altentreptow weist die größte Dichte an Windrädern in Mecklenburg-Vorpommern auf. Die höchsten Anlagen drehen sich östlich des Städtchens auf einer Ebene nahe der Dörfer Grapzow, Grischow und Werder.

Für den Kreistagsabgeordneten Norbert Schumacher ist der Landstrich mittlerweile "nicht mehr bewohnbar". "Niemand, der ländliche Ruhe sucht, würde dort noch hingehen", sagt Schumacher, der für das Aktionsbündnis gegen unkontrollierten Windkraftausbau im Kreistag der Mecklenburgischen Seenplatte in Neubrandenburg sitzt. Das Projekt trage direkt zur Entvölkerung der Region bei.

Nun soll das Windkraftrevier Altentreptow erneut erweitert werden. Die Mindestabstände zwischen Windparks wurden von 5 auf 2,5 Kilometer reduziert. Auf einer Fläche, die der Landesenergieplan nicht als geeignet ausweist, will die Windprojekt GmbH Börgerende (Nordwestmecklenburg) 30 Anlagen von jeweils 150 Metern Nabenhöhe errichten, Baubeginn noch in diesem Jahr.

Neuer Windpark soll Wasserstoff erzeugen

Aussicht auf eine Genehmigung rechnet sich die Firma vor allem aus, weil es sich um ein Projekt mit "innovativem Charakter" handelt, wie Projektleiter Marcus Heinicke sagt. Der Name des Windparks RH2-PTG stehe für Regenerativen Wasserstoff – Power-to-Gas, wobei PTG auch den Standort zwischen Pripsleben, Tützpatz und Gültz benennt. Dort soll aus Windstrom Wasserstoff hergestellt und erstmals in das Erdgasnetz eingespeist werden. Dieses fungiere damit als Speicher für Windenergie. Dies sei ein Pilotprojekt für Mecklenburg-Vorpommern.

Die eigentliche Innovation ist aber eine andere: Wie Energieminister Christian Pegel (SPD) in Altentreptow erläuterte, besteht der "innovative Charakter" des Projekts darin, dass "der Betreiber freiwillig den Kommunen eine direkte finanzielle Beteiligung am Windpark" anbietet.

Dies sei bislang nicht vorgesehen, ein entsprechendes Gesetz aber in Vorbereitung. Das Beteiligungsmodell ist Pegel zufolge möglicherweise die Innovation, die eine Zielabweichungsgenehmigung rechtfertigt – will heißen: In dem Gebiet wird von dem Ziel abgewichen, dort keine Windanlagen zu errichten.

Völlige Konfusion über die mögliche Beteiligung

Evelin Kraft ist Gemeindevertreterin in Gültz. Wie sie berichtet, ist der Gemeinderat ratlos, wie eine solche Beteiligung aussehen soll. Der wegen alter DDR-Wohnblocks hoch verschuldeten Gemeinde fehle das Know-how. Der Elektrounternehmer Manfred Komesker aus Tützpatz habe vorgeschlagen, eine GmbH zu gründen, deren Geschäftsführung er übernehmen würde. Aber er ist auch Vorsteher des Amtes Treptower Tollensewinkel und außerdem Mitinvestor des geplanten Windparks.

Diese Personalunion macht die Leute misstrauisch. "Eine solche Verquickung hat politisches Geschmäckle", meint Michael Thomalla, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetages MV. Grundsätzlich hält er den Plan der Landesregierung, dass Investoren den Kommunen ein Beteiligungsangebot machen müssen, für gut.

Auch finanzschwache Kommunen könnten die Genehmigung zur Kreditaufnahme erhalten, wenn die Überprüfung ergebe, dass ihre wirtschaftliche Betätigung Gewinn verspricht.

Der Abgeordnete Schumacher hält vom Beteiligungsmodell dagegen nichts: "Die Leute sollen jetzt noch ihr Geld dafür hingeben, dass sie die Windräder ertragen müssen", schimpft er. Die Rechnung sei einfach: Wer 10.000 Euro investiere, bekomme bei einer Rendite von drei oder vier Prozent 300 oder 400 Euro pro Jahr.

In seinem Wohnort Penzlin seien verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten durchgespielt worden. Am Ende bleibe immer: "Es müssen Steuern entrichtet und ein Geschäftsführer bezahlt werden, aber der Investor kann das Ganze gegen die Wand fahren." Fazit: "Man hat als Kommune keine Einflussmöglichkeit."

Einwohner wehren sich gegen Windparks

Die Unterlagen für das Raumordnungsverfahren liegen bis 28. August aus, bis Mitte September sind Einwendungen möglich. Die Meinung der Bürger und Gemeinden hat aber auf das Verfahren keinen Einfluss, stellt Thomalla klar. Die Entscheidung liege beim Planungsverband.

Der stellvertretende Leiter im Amt für Raumordnung und Landesplanung Mecklenburgische Seenplatte, Manfred Sasse, sagt, wenn Windnutzung außerhalb von dafür ausgewiesenen Flächen stattfinden soll, müsse das sehr gut begründet sein. Er warte auf die Stellungnahmen der Fachbehörden, unter anderem zum Natur- und Denkmalschutz.

Mehrere Einwohner machen mittlerweile mit Aushängen deutlich, dass sie keinen Windpark wollen. Und dass sie nicht verstehen, dass sie ihre Hoffnung mittlerweile darauf setzen müssen, dass der Schreiadler oder der Rote Milan den Windpark verhindern können. Am Sonntag ist eine Kundgebung in Tützpatz geplant.

 

Foto: Infografik die Welt Die Gegend um Altentreptow weist die größte Dichte an Windrädern in Mecklenburg-Vorpommern auf

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